Die aktuelle Situation zeigt es: In der Baubranche gibt es einige offene Baustellen in Sachen Nachhaltigkeit. Mehr als 70 Prozent aller Rohstoffe werden laut Umweltbundesamt in Deutschland verarbeitet. Viele davon sind nicht in unbegrenzter Menge verfügbar. Zusätzlich stellt der permanente Abbau der Rohstoffe einen massiven Eingriff in die Natur dar. Die Herstellung von Beton, Stahl oder Glas ist zudem mit einem hohem Energieeinsatz verbunden und produziert jede Menge klimaschädliches Kohlendioxid. Eins ist bereits jetzt schon klar – ein immer weiter so wird nicht funktionieren. Es braucht nachhaltigere Bauweisen. Wir haben uns für euch umgeschaut, was bereits möglich ist und was die Zukunft bringen kann.
Um die Ziele des Klimaabkommens zu erreichen, sind ein Umdenken und eine drastische Veränderung von Nöten. Abrisse und Ersatzneubauten sollten, wenn möglich, verhindert werden und nicht länger als erste und beste Option gelten. Der intelligente Umbau von Bestandsbauten ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern bietet auch das Potenzial für ästhetische und baukulturelle Innovationen. Alte Gebäude zu sanieren, ist wesentlich nachhaltiger, als neu zu bauen. Der Materialbedarf ist bei einer Sanierung nicht nur um etwa zwei Drittel geringer, es brauchen zudem keine neuen Flächen bebaut werden. Hinzu kommt eine Rückbesinnung auf alte Materialien und Techniken. Holz und Lehm können zum Beispiel in vielen Fällen Beton und Stahl ersetzen. Apropos Holz: Mittlerweile werden ganze Hochhäuser in Holzständerbauweise gebaut. 85,4 Meter misst das derzeit größte Holzhochhaus der Welt.
Auch in Sachen Wärmedämmung benötigt es schon lange keine umweltschädlichen Materialien mehr. Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen z.B. aus Holzfasern, Hanf, Flachs, Zellulose (aus Altpapier), Schafwolle, Stroh, Seegras oder Schilf. Neue und überarbeitete Materialien helfen der Baubranche, künftig nachhaltiger zu werden. Auch in Sachen Beton-Bau gibt es einige interessante Entwicklungen, die zum Teil bereits den Praxistest bestanden haben. (Carbonbeton, Gradientenbeton oder Glasfaserbeton)
An einer zementfreien Beton-Variante wird bereits fleißig getüftelt. Geopolymere sollen dabei die Rolle des Zements einnehmen und dadurch bis zu 70% weniger CO2-Emissionen verursachen. Ein „Lebender Beton“ wird derzeit in den USA entwickelt. Hierbei wird statt Zement eine Mischung aus Sand, Gelatine und Bakterien bei der Beton-Herstellung verwendet. Die Bakterien erzeugen unter bestimmten Bedingungen Calciumcarbonat und stoßen einen Mineralisierungsprozess an. Anders als bei der herkömmlichen Beton- und Zementproduktion wird bei der Herstellung kaum Kohlendioxid freigesetzt. Ganz im Gegenteil wird bei der Bildung der Kristalle sogar CO2 gebunden.
Hanf, Bambus oder das Wurzelwerk von Pilzorganismen können den Markt der alternativen Rohstoffe ordentlich aufmischen. Aus Myzelien lassen sich zum Beispiel biologisch abbaubare Dämmungen, Spanplatten oder Bausteine herstellen. Wird Myzelium mit einem organischen Substrat vermischt, umschließt das engmaschige Netzwerk die zuvor losen Bestandteile auf der Suche nach Nahrung. Das Myzelium fungiert dabei als organischer und nachwachsender Kleber. Myzelium ist nicht nur ein schnell wachsender, formbarer neuer Baustoff, sondern die daraus hergestellten Bauelemente könnten nach ihrer Nutzungsdauer auch wieder vollständig kompostiert werden. Das Material kann zudem überall lokal angebaut werden und bindet im Wachstumsprozess Kohlenstoff.
Möglichkeiten und Innovationen gibt es viele – doch gilt es sie auch umzusetzen und zu fördern. Vor dem Hintergrund, dass nachhaltige Materialien wie Lehm, Hanf, Holz oder auch Bambus künftig eine tragende Rolle in der Baubranche einnehmen werden, könnte manch einer denken, wir entwickeln uns zurück und leben bald wieder wie im Mittelalter. Das ist sicherlich nicht zu befürchten. Doch lohnt es sich, einen Blick auf das zu werfen, was frühere Baumeister entworfen und gebaut haben. Vieles davon steht seit hunderten von Jahren. Mehr Nachhaltigkeit geht nicht.