Beim 3. Klimatag der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV „Klimaschutz und Landwirtschaft – was getan werden muss“ in Ulrichshusen ist der neue EU-Agrarkompromiss als nicht ausreichend kritisiert worden.

Der vom Brüsseler Europaparlamentarier Dr. Peter Jahr vorstellte Entwurf genüge bei weitem nicht, um die LW auf den Weg zu mehr Klimafreundlichkeit zu bringen.  Die Branche steht vor einem massiven Umbruch: Klimaschutz und gesellschaftliche Anforderungen an Umwelt- und Tierwohlstandards würden die LW verunsichern, sagte Bauernverbandspräsident Detlef Kurreck. Die Umschichtung von der 2. in die 1. Säule sei problematisch. Kurreck kritisierte, dass mit den Umweltauflagen kein Geld verdient werden könne: „Wir brauchen das Prinzip Schützen durch Nutzen.“ So werden künftig 25 Prozent aus dem Fördertopf der Direktzahlungen den sogenannten Eco Schemes zugute kommen. Honoriert werden soll eine nachhaltige Landwirtschaft etwa durch den Einsatz von weniger chemischem Dünger, mehr Artenschutz, vielfältigen Fruchtfolgen, mehr Brachflächen und mehr Tierwohl.

Für mehr Tierwohl fordert Kurreck ein vereinfachtes Baurecht, um Ställe entsprechend um- oder neu zu bauen und ein bundeseinheitliches Tierwohllabel, noch besser ein europäisches.

Auch müssten regionale Wertschöpfungsketten und standortnahe Verarbeitungskapazitäten ausgebaut werden, damit Produkte aus MV mit dem Siegel „regional“ vermarktet werden könnten. So warte man seit Jahren auf eine Markthalle für die Direktvermarktung in Rostock.

Der Ökoring im Norden e.V. fordert eine höhere Umstellungsprämie beim Umbau eines Betriebes von konventionellem auf Öko-Landbau. Betriebe sollten darüber hinaus mit Natur-und gezieltem Artenschutz Geld verdienen können.

Die Prodekanin der Uni Rostock für den FB Agrar- und Umweltwissenschaften, Prof. Nicole Wrage-Mönnig, kritisierte, dass vor allem die Chance vergeben sei, eine veränderte Moornutzung in die neuen Regelungen aufzunehmen, etwa für Maßnahmen zur Rücknahme der Entwässerung.

Dabei gehe es nicht darum, Moore zu fluten, sondern den Wasserstand im Boden anzuheben, so dass eine Bewirtschaftung möglich bleibe. Selbst auf vernässten Flächen sei durch Paludikultur eine Bewirtschaftung möglich. Sie verwies auf den Greifswalder Moorwissenschaftler Prof. Joosten, der gerade mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet wurde. Er habe verschiedene Verfahren für den Anbau auf vernässten Flächen erforscht und entwickelt.

13 Prozent der Landesfläche MV sind Moore. 27 Prozent der THG von ganz MV würden von den Mooren verursacht. Fatal, dass diese Klimaschäden durch EU-Leistungen sogar noch gefördert würden. Der Bauernverbandspräsident Detlef Kurreck gab zu Bedenken, dass Moore in MV vielfach in Privatbesitz seien; es brauche Nutzungskonzepte und Anreize, um Landwirte für die Wiedervernässung der Moore zu gewinnen.

Ein konkretes Beispiel für die Probleme aus den Förderrichtlinien für heimische Bauern nannte Landwirt Steven Hirschberg von der Papendorfer Agrargenossenschaft. So werde Grünland, das nicht als Ackerfläche genutzt werde, automatisch nach 5 Jahren Dauergrünland, was für die Landbesitzer einen enormen Werteverlust bedeute. Das führe dazu, dass viele Landwirte Grünstreifen und Freiwiesen nur aus diesem Grund vor der Fünf-Jahres-Frist umbrächen und wiedereinsäen. Prof. Wrage-Mönnig verwies darauf, dass länger existierende Grünland Kohlenstoff im Boden speichere und eine hohe Biodiversität aufweise. Durch das Umbrechen gingen diese positiven Auswirkungen verloren.

Sie sagte, man müsse dahin kommen, Dauergrünlandpflege mit Schafen beispielsweise wieder zu honorieren. Kurreck gab ihr Recht: Grünland müsse wieder Kulturland werden. So forderte er bei der Veranstaltung, die Weidetierprämie wieder einzuführen.

In der öffentlichen Diskussion gab es auch viele Anregungen und Beiträge von Landwirten im Haupt- und Nebenerwerb. Cornelia Freifrau von Maltzahn, die Gut Pinnow bewirtschaftet, berichtete von Veränderungen in ihrem Betrieb: sie habe inzwischen Erfahrung im Bereich der Agrovoltaik, der Waldwertschöpfung durch CO2-Zertifikate und einer humusorientieren Landwirtschaft mit erhöhten Fruchtfolgen durch Zwischenfruchtanbau. So werde versucht, klima- und bodenschonende Landwirtschaft zu betreiben.

Hintergrund:

Im März haben die Agrarminister auf Eckpunkte zur Umsetzung der EU-Agrarreform in Deutschland ab dem Jahr 2023 festgelegt. Die Ausgaben für Öko-Leistungen sollen deutlich aufgestockt werden, dadurch werden die Direktzahlungen (für die Agrarfläche, von der vor allem große Betriebe profitieren) eingeschmolzen. Für MV rechnet der Agrarminister Backhaus mit einer Basisprämie ab 2023 von ca. 140 Euro/pro ha statt aktuell 270 Euro/ha. Deutschland will bis zum Januar seinen Strategieplan mit Vorschlägen für die Öko-Leistungen vorlegen. Bisher gab es Vorgaben von der EU.

 

Unser Klimatag rund um
die LANDWIRTSCHAFT
#3

Der neue EU-Agrarkompromiss wurde auch nach der Veranstaltung in Ulrichshusen lebhaft diskutiert. Im Gespräch: Stiftungsvorstand Werner Kuhn, Landwirt Steven Hirschberg von der Papendorfer Agrargenossenschaft e.G., Prof. Nicole Waage-Mönnig, Prodekanin der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock, Anke Rösler, Moderatorin, Detlef Kurreck, Bauernverbandspräsident MV, Christin Klinger, Geschäftsführerin der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV (von links nach rechts).

Wir diskutierten mit

  • Detlef Kurreck
    Bauernverbandspräsident MV
  • Dr. Peter Jahr
    Mitglied des EU-Parlaments, Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
  • Prof. Nicole Wrage-Mönnig
    Prodekanin Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät Universität Rostock
  • Steven Hirschberg
    Landwirt und Vorstandsvorsitzender der Papendorfer Agrargenossenschaft e.G.